Dienstleister leiden häufig darunter, dass sie mit Arbeit überflutet werden und viele Dinge parallel machen müssen.
Das kann zum einen daran liegen, dass die Kunden kein Vertrauen in die Fähigkeiten des Dienstleisters haben. Dann wird einfach viel eingekippt. Der Kunde nimmt an: Irgendetwas
wird schon fertig werden.
Zum anderen: der Dienstleister bietet keine limitierte Eingangsspalte oder der Kunde kann sie nicht ausreichend gut verwenden. Der Effekt ist bei beidem, dass viele,
viele Dinge parallel im Flug sind und die einhellige Meinung herrscht: Es ist alles gleich wichtig.
Wenn alles gleich wichtig ist, fällt eine Sequentialisierung der Arbeit schwer. Sequentialisierung bedeutet, die einzelnen Arbeitspakete in eine Reihenfolge zu bringen, die wirtschaftlich Sinn ergibt.
Aber wieso sollte man das auch tun?
Das Gesetz von Little sagt: Die durchschnittliche Durchlaufzeit ist gleich dem Work-in-Progress geteilt durch den durchschnittlichen Durchsatz.
Wenn wir annehmen, dass der Durchsatz einigermaßen konstant bleibt, ist die durchschnittliche Durchlaufzeit bei gleichbleibendem WIP ebenfalls konstant. Konstant, aber bei hohem
WIP eben auch hoch!
Halbieren wir den Work-in-Progress, halbiert sich auch die durchschnittliche Durchlaufzeit. Das bedeutet zum einen, dass bei hohem WIP alles spät kommt – es wird ggf. alles
parallel gemacht und fast parallel abgeschlossen. Zum anderen bedeutet es, dass wenn wir die Arbeit sequentialisieren statt zu parallelisieren, werden zwar immer noch einige Dinge spät kommen,
andere aber früher. Die durchschnittliche Durchlaufzeit sinkt und damit auch die komplette Verweildauer in der Warteschlange und im System.
„Es ist alles gleich wichtig“ – das wirft die Frage auf, was denn eigentlich dieses Alles ist. In vielen Fällen sind das verschiedene Kunden, die gleich wichtig sind. Oder verschiedene Arbeitstypen, die auch ebenfalls alle bearbeitet werden müssen. Oder es gibt nur eine Serviceklasse, die alle Arbeitseinheiten beinhaltet. Sie müssen alle fertig werden. Manche zu bestimmten Terminen, andere so bald wie möglich.
Kapazität verteilen
Für die beiden ersten Fälle muss man wohl sagen: Ja, in vielen Fällen sind alle Kunden gleich wichtig. Oder in allen Arbeitstypen muss Arbeit geleistet werden. Aber bedeutet das, dass wir bspw. von allen Kunden alles akzeptieren müssen? Tatsächlich kann für die meisten Fälle eine Kapazitätsverteilung Wunder wirken. Gleichberechtigte Kunden bekommen gleiche Anteile an der Gesamtkapazität der Dienstleistung. Das können wir recht einfach über WIP-Limits und Regeln wie ein Reiheum-Verfahren in der Planung lösen. Kunden mit höherem Anspruch – und meist mit einem höheren monetären Beitrag – bekommen diesen auch. Das bedeutet aber nicht, dass sie alles bekommen und Kunden mit niedrigerem Anspruch nichts mehr! Sie können durch klare Verteilungsregeln auch berücksichtigt werden.
Verteilen und eine Reihenfolge wählen
Innerhalb der Klassen, die wir dadurch ausbilden, muss dann wieder eine Sequentialisierung erfolgen. Wenn innerhalb der Klassen auch alles gleich wichtig ist, haben wir, einfach gesagt, kein Problem: Denn jede Art von Sequentalisierung ist besser als keine Sequentialisierung! Ein Zufallsgenerator, der Tickets auswählt, wäre immer noch besser, als alles parallel zu bearbeiten. Darauf wollen wir uns natürlich nicht verlassen und können in den meisten Fällen dann auch eine kluge Sequenz identifizieren. Man könnte das sogar als kleinen Trick verwenden um herauszufinden, dass doch nicht alles gleich wichtig ist – zumindest innerhalb dieser Klassen.
Kürzere Durchlaufzeit ist häufig besser
Nehmen wir mal Folgendes an. Die Durchlaufzeit ist ein Fitnesskriterium, also ein Qualitätsmaß, für unsere Dienstleistung aus Sicht des Kunden. Das ist eine angemessene Annahme, denn niedrige Durchlaufzeiten haben einige Vorteile:
- Das Risiko für Veränderungen am Arbeitsauftrag sinkt. Je kürzer ein Auftrag im System ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Welt massiv verändert. Das Ergebnis des Auftrags passt also immer noch zu den anfänglichen Anforderungen.
- Je länger ein Auftrag noch nicht ins das Arbeitssystem aufgenommen wurde, desto länger können Wünsche und Veränderungen noch berücksichtigt werden. Das kann sogar ohne größere Kosten geschehen.
- Die Wahrscheinlichkeit von Verzögerungen im Prozess sinkt. Je länger sich ein Auftrag im System befindet, desto mehr Risiko begleitet ihn, von Verzögerungen heimgesucht zu werden. Die allgemeine Streuung der Durchlaufzeit sinkt also – wir werden vorhersagbarer. Das ist für viele ebenfalls ein Fitnesskriterium.
- Niedrige Durchlaufzeiten bedeuten auch schnelle Wertlieferung. Die Kunden müssen also nicht lange auf das Ergebnis warten. Sie können es schnell in Empfang nehmen. Das kann für sie ein wichtiger Faktor in der Risikomitigation bedeuten.
Typischerweise profitieren Kunden also von der Senkung der durchschnittlichen Durchlaufzeit. Erarbeiten wir die verschiedenen Klassen, die innerhalb des Systems existieren, können wir sie angemessen berücksichtigen. Das kann sogar Gleichberechtigung bedeuten. Jedenfalls wird dadurch niemand benachteiligt.
Dann können wir eine Sequentialisierung innerhalb der Klassen durch die Limitierung der parallelen Arbeit erzwingen und senken dadurch die Durchlaufzeiten. Damit wird also nicht nur niemand benachteiligt. Stattdessen profitieren sogar alle!
Fazit
Alles gleichzeitig geht nicht - es schadet vor allem dem Kunden der Dienstleistung. Aber auch der Dienstleister muss mit Überforderung und Überlastung umgehen. Deshalb ist es sinnvoll, zwar alle Klassen von Anforderungen zu berücksichtigen. Innerhalb dieser Klassen muss aber eine Sequenz erzwungen werden. Wenn tatsächlich alles gleich wichtig ist, können wir mit einem Zufallsgenerator gute Ergebnisse erzielen. In allen anderen Fällen sind die Dienstnehmer meistens doch zur Sequentialisierung fähig.