Heute möchte ich über Auftragstypen und Serviceklassen sprechen.
Normalerweise sind nicht alle Aufträge für unsere Dienstleistung gleich. Sie können sich beispielsweise darin unterscheiden, wie dringend sie sind. Oder welchen Workflow sie benötigen. Leider werden sie viel zu häufig über einen Kamm geschert und irgendwie gleich gemacht. Dabei heißt die vierte Praktik der Kanban-Methode doch: Mache Prozessregeln explizit. Dazu gehören auch die unterschiedlichen Arten von Aufträgen!
Lieber zuhören? Hier ist der Podcast:
In den meisten Fällen bieten wir im Team oder in der Abteilung unterschiedliche Dienstleistungen an. Beim Friseur könnte das beispielsweise so etwas sein wie Haare schneiden und Haare färben. In der KFZ-Werkstatt unterscheiden sich genereller Check und ein Unfallschaden. Und in der IT könnte es Unterschiede zwischen einer Textänderung auf der Webseite und einem komplexen Refactoring geben. All diese Beispiele sind unterschiedliche Dienstleistungen, die in vielen Fällen auch unabhängig voneinander erbracht werden könnten.
Wenn sie unabhängig voneinander sind, ist es wahrscheinlich, dass sie unterschiedliche Workflows erfordern. Und damit haben wir auch schon das Hauptunterscheidungskriterium für Auftragstypen gefunden: Unterschiedliche Workflows. Jeder potentiell unabhängige Workflow stellt einen einzelnen Auftragstypen dar. Dabei kann es aber durchaus vorkommen, dass sich die Arbeitsflüsse zumindest ähnlich anhören!
Häufig werden unterschiedliche, aber sich recht nahe Arbeitsflüsse auch soweit abstrahiert, dass sie auf einem Kanban-Board visualisiert werden können. Aber das nur so nebenbei.
Bietet eine Organisationseinheit, beispielsweise ein Team, mehrere Dienstleistungen an, entsteht häufig eine Konkurrenzsituation um die Kapazität. Das bedeutet also, wir können nicht alles bearbeiten, mit dem wir beauftragt werden sollen.
Ich habe in der letzten Folge, mit dem Delayed Commitment, schon darüber gesprochen. Gehen wir also mal davon aus, dass wir nicht alles schaffen. Was können wir dann tun? Nun ja. Aushalten und das schaffen, was wir schaffen – wäre eine Option. Da sind wir aber auch furchtbar unvorhersagbar. Wir könnten aber auch festlegen, wie viel wir wovon schaffen wollen. Natürlich im Rahmen dessen, was wir schaffen **können**.
Wir können also beispielsweise sagen, und das ist jetzt wahrscheinlich super hypothetisch: Für alle 3 Haarschnitte färben wir auch einmal Haare. Keine Ahnung, warum wir das tun sollten, aber vielleicht adressiert das relevante Marktrisiken. Ich bin trotz der vielen Beispiele gar nicht so tief in der Friseurbranche drin!
Also nach drei Haarschnitten wird auf jeden Fall ein Haarfärbe-Auftrag bearbeitet. Dann wieder drei Haarschnitte und wieder ein Haarefärben. Wir können dann also einen gewissen Durchsatz, eine gewisse Menge an fertiggestellten Aufträgen garantieren. Das ist doch super!
Das können wir uns auch zu Nutze machen, wenn wir keine unterschiedlichen Workflows haben, aber vielleicht unterschiedliche Quellen der Aufträge. Stell dir mal ein Café vor, das sowohl einen Gastraum als auch so einen Mitnehm-Schalter hat. Wenn der Mitnehm-Schalter immer Kundenverkehr hat, leidet vielleicht der Rest des Cafés darunter. Im Extrem bedeutet das, dass die Menschen, die dort warten, vielleicht nie bedient werden! Wie gut wäre es da, für jeden zweiten Auftrag aus der Mitnehm-Schlange einen Auftrag im Sitzbereich zu bedienen? Wir können also, wenn wir die Auftragstypen nach Kunden segmentieren, auch hier eine Kapazitätsallokation machen.
Allerdings muss ich jetzt zugeben: Das sind keine echten Auftragstypen. Das ist einfach eine planerische Allokation pro Kunde.
Insofern gehen wir da mal nicht näher drauf ein.
Das waren die Auftragstypen – unterschiedliche Arten von Aufträgen, die meistens durch unterschiedliche Arbeitsflüsse charakterisiert werden. Wir können sie unabhängig voneinander betrachten und sie auch zur Kapazitätszuweisung benutzen. Sehen wir uns nun die Serviceklassen an. Die sind nämlich verwandt, aber anders.
Serviceklassen finde ich immer am besten an Amazon erklärbar – den Laden kennen die meisten. Die haben nämlich seit einigen Jahren Serviceklassen in ihr Kerngeschäft genommen. Wenn du bei denen etwas bestellst, und ich kenne viele, die das tun, wählst du an der Kasse die Versand-Geschwindigkeit: Standard, Prime, Next- oder Same-Day-Delivery. Gibt's noch was? Ach ja, diese Spar-Abos und das Pantry-Programm.
Du wählst also aus, mit welcher Geschwindigkeit dein Lieferauftrag bearbeitet werden soll. Wie cool ist das denn? Das könnte man ja auf Dienstleistungen übertragen. Dann hätte man Geschwindigkeitsklassen für die Erbringung von Dienstleistungen - kurz gesagt: Serviceklassen, auf Englisch: Classes of Service.
Bei den ganz normalen Bestellungen bei Amazon kannst du also für den gleichen Auftragstypen unterschiedliche Liefergeschwindkeiten wählen. Im übertragenen Sinne könntest du beim Friseur sagen: "Ich biete dir 20 Euro, damit ich früher drankomme als die anderen." Dass der Frisierende darauf eingeht, ist äußerst fraglich, denn damit riskiert er ja Unzufriedenheit bei den anderen. Aber möglich wäre es! Und verrückterweise: In der Softwareentwicklung wird das ständig gemacht! Da muss nur mal jemand vorbeikommen und sagen, wie viel Businessvalue etwas erzeugen kann oder welche Position er inne hat... Aber ich schweife ab.
Serviceklassen bestimmen also die Geschwindigkeit, mit der ein Ticket durch den Arbeitsfluss gezogen wird. Die Klasse beeinflusst also die Entscheidung, welches Ticket von den Mitarbeitenden als nächstes gezogen wird.
Du kannst dir schon vorstellen, dass das höchst störend sein kann, denn natürlich erzeugt sowas Turbulenzen. Deswegen sollten wir das möglichst minimieren.
Aber wenn du den Status quo bei dir abbildest, werden diese Serviceklassen da sein. Das garantiere ich dir schon fast!
Verrückt daran ist, dass Amazon dafür extra Geld bekommt, während in vielen Fällen im sonstigen Leben eine gefühlte Wichtigkeit reicht. Wir sollten uns also überlegen, was wir als Gegenleistung für die beschleunigte Bearbeitung bekommen. Mitregierte Marktrisiken können da übrigens auch auf schon ausreichen!
Jetzt können wir also in jedem Auftragstypen verschiedene Serviceklassen haben. Wir können also Aufträge in höherer oder niedrigerer Geschwindigkeiten bearbeiten, relativ zu den anderen Aufträgen. Wir können aber auch einen Auftragstypen mit nur einer einzigen Serviceklasse haben. Und die kann auch wichtiger als andere Serviceklassen in anderen Auftragstypen sein. Beispielsweise geht ein Brand bei der Feuerwehr deutlich vor der Rettung einer kleinen Katze. Und beide Dinge folgen womöglich auch ganz anderen Arbeitsabläufen.
Woran sich die Serviceklassen orientieren, darauf gehe ich in einer anderen Folge mal ein. Es ist aber sehr wichtig, dass wir auch sie mit Kapazitäten belegen können: Also zum Beispiel müssen wir uns vielleicht immer Kapazität für ein Notfallticket vorhalten. Das ist besonders wichtig, wenn wir bei den restlichen Dingen planbar sein wollen. Und dann müssen wir auch den richtigen Risikomix treffen. Das ist alles nicht ganz trivial!
Um noch mal zusammenzufassen: Arbeitstypen beinhalten die Art des Auftrags und wie diese bearbeitet werden. Die Serviceklasse gibt uns eine Aussage darüber, mit welcher Geschwindigkeit das passiert – relativ zu den anderen Tickets dieses Auftragstypen und darüber hinaus. Insofern stehen die beiden in Verbindung und wir können sie miteinander benutzen.
Falls du merkst, dass das alles ganz schön schwierig ist und du Hilfe bei der Implementierung brauchst, bin ich gerne für dich da. Melde dich am besten per E-Mail bei mir und wir sehen dann, was ich für dich tun kann.
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