Shownotes
Statt wilden Reinstopfens gibt es in Kanban einen regulierten Zugang zur Dienstleistung: Das Commitment- oder Replenishment-Meeting. Hier wird über die zukünftigen Aufträge der Dienstleistung entschieden. Wie häufig und mit wem das stattfinden muss, hörst du in dieser Episode.
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Bleib gesund und Happy Kanban!
Transkript
Lieber zuhören? Hier ist der Podcast:
Kanban wird ja sehr häufig mit einem beliebig schnellen und spontanen Reinstopfen von neuen Tickets in die Abarbeitung assoziiert. Fälschlicherweise natürlich, eigentlich sind wir ja viel strikter.
Ich möchte heute deswegen mal über das Commitment-Meeting sprechen, auch Replenishment genannt.
In einem ordentlich designten Kanban-System haben wir eine Unterscheidung zwischen Optionen und Zugesagtem. Das bedeutet für viele, dass wir ein oder mehrere Backlogs haben – das sind die Optionen. Aus ihnen können wir etwas selektieren. Und dann haben wir eine Eingangswarteschlange. Das wäre das Zugesagte. Zwischen den beiden liegt der sogenannte Commitment-Punkt, also der Punkt, an dem wir ein beiderseitiges Commitment, eine beiderseitige Zusage abgeben. Der Dienstleister gibt die Zusage, dass diese Aufgaben zeitnah bearbeitet werden. Der Dienstnehmer sichert zu, dass diese Aufgabe nicht mehr abgebrochen oder verändert wird. Das hatten wir, glaube ich, beim Delayed Commitment auch alles schon mal.
In einem Commitment-Meeting werden also genau diese Zusagen gegeben. Dafür benötigen wir auch noch eine Selektion von Aufträgen, für die wir diese Zusagen geben können.
Ach ja, Replenishment, der andere Name, heißt es aus dem Grund, weil die Eingangsspalte wiedergefüllt wird – replenished eben.
Sprechen wir doch mal darüber, wie häufig das passieren muss und wer da alles dabei sein muss.
Die Antwort, die wieder keine mag: Es kommt darauf an!
Die Frequenz, wie häufig so ein Commitment-Meeting abgehalten wird, hängt von ein paar Sachen ab. Als erstes ist da natürlich die Rate, mit der neue Informationen vom Markt ankommen. Wenn ich einen sehr langsamen Markt habe, muss ich normalerweise nicht sofort reagieren. Ich kann dann also das Meeting seltener machen. Wenn ich in einer Start-Up-Welt unterwegs bin, in der ich gegebenenfalls sogar noch schnelle Konkurrenten habe, möchte ich vielleicht sehr, sehr schnell reagieren können – da ergeben wöchentliche, tägliche oder sogar ad-hoc-Meetings Sinn!
Das zweite sind die Kosten des Commitment-Meetings. Wenn ich für so ein Event aus der ganzen Welt Menschen zusammentrommeln muss, die auch noch persönlich da sein müssen, dann sind das recht hohe Kosten. Klar, wenn ich mir das leisten kann, kein Ding. Aber es sollte halt schon angemessen sein. Wenn die Kosten den Nutzen deutlich überschreiten, kann man schon mal überlegen, ob man das nicht seltener macht – oder eben auch diese Transaktions-Kosten für das Meeting senkt.
Das Meeting wird auch günstiger, je weniger Menschen dort anwesend sein müssen. Ich habe über die Teilnehmer noch gar nicht gesprochen. Prinzipiell benötige ich alle, die die Entscheidung treffen, was als nächstes über den Commitment-Punkt wandert. Benötigen wir tatsächlich eine gemeinschaftliche Entscheidung, werden wir um Kooperation und Koordination nicht herumkommen. Wie viel Sichtbarkeit, Zustimmung und Aushandeln wir wirklich brauchen, hängt natürlich total davon ab, wie viel Vertrauen untereinander herrscht. Um es mal ins Extrem zu treiben: Bei einer Dienstleistung mit mehreren, gegebenenfalls konkurrierenden Auftraggebern können wir das Commitment-Meeting auf Ad-hoc-Emails reduzieren, die bei den Auftraggebern, die gerade dran sind, den nächsten Auftrag erfragen. Dafür benötigen wir etablierte, miteinander erprobte Abstimmungen, die das Vertrauen untereinander und an den Prozess steigern. Damit können wir dann mit der Zeit auch die Menge der Teilnehmer senken.
Das bedeutet aber nicht, dass ich sofort alle zusammenrufen muss, wenn ich mehrere Quellen von Aufträgen habe. Es funktioniert auch, dass eine Service Request Managerin beispielsweise die Entscheidung trifft, welche Aufträge als nächstes bearbeitet werden. Wenn das für alle okay ist, hat auch Kanban nichts dagegen. Die Praxis zeigt allerdings, dass Menschen mit dieser Rolle ein anstrengendes, stressiges Leben führen und nicht zu den beliebtesten Kolleginnen oder Kollegen im Unternehmen gehören. Der Grund ist recht einfach: Sie übernehmen die Aufgabe, Priorisierung und Verfügbarkeits-signale an die Auftraggeber zu kommuniziren. Leider ist das zweite halt häufig nicht da und sie müssen eher "Nein, jetzt nicht" sagen UND die gesamtpriorisierung entspricht nicht zwangsläufig der Interpretation jedes einzelnen Stakeholders.
Statt diese Menschen in diese unangenehme Position zu bringen, zwischen Auftraggebern mit konkurrierenden Zielen vermitteln zu müssen beziehungsweise sich bei allen unbeliebt zu machen, ist ein häufiger Ansatz bei Kanban-Implementierungen, diese Vermittlerposition raus zu nehmen. Wir stecken also eher alle Auftraggeber zusammen und lassen sie miteinander aushandeln, was als nächstes in die Dienstleistung genommen wird. Damit müssen sie dann selbst für ihre Aufträge einstehen und mit anderen abwägen und können das nicht auf eine Dritte abwälzen.
Also: Die Frequenz des Commitments hängt von der Marktgeschwindigkeit und den Teilnehmern bzw. den Kosten ab. Was gibt es noch zu sagen?
Ich sehe immer mal wieder, dass in solchen Meetings die Eingangsspalte quasi einmal komplett leergeräumt wird und neu bestückt wird. Das ist aus mehreren Gründen Quatsch. Zum einen brechen wir damit die Zusage, die wir vorher getroffen haben: Wir haben doch den Auftraggebern gesagt, dass wir das umsetzen. Und die Auftraggeber haben zugesagt, dass sie das nicht wieder abbrechen. Zum anderen machen wir damit unser Pull-System und auch die Metriken mitsamt der Vorhersagbarkeit kaputt. Wir müssten also immer eine Aussage treffen in der Art "Dein Auftrag ist in 90% der Fälle in X Tagen fertig, außer du hast Pech und er ist beim Commitment-Meeting noch nicht begonnen. Dann kann es auch sein, dass er ganz gecancelt wird." Das ist megafrustrierend und ich habe das aber genau so schon gesehen!
Wir füllen im Commitment-Meeting also nur die freien Slots der Eingangsspalte auf. Das könnten auch keiner oder nur einer sein. Die Frequenz des Commitment-Meetings wird also auch ein bisschen davon bestimmt, wie hoch der Durchsatz der Dienstleistung ist. Wenn wir nur alle zwei Wochen einen Auftrag fertig bekommen, müssen wir nicht alle Woche wiederbefüllen.
Auch der Ablauf des Meetings selbst ist natürlich wieder sehr kontextabhängig, aber im Grunde sehen wir uns an, wer welche Entscheidung treffen darf und füllen dann die Eingangsspalte bis zum Erreichen der oberen Begrenzung auf. Falls wir so etwas wie Eingangskriterien, also eine Definition of Ready haben, sollten wir vielleicht noch mal kurz prüfen, ob die Aufträge dieser auch genügen oder wie schnell wir die Aufträge auf den erforderlichen Stand bekommen.
Wir müssen hier aus Sicht des Pull-Systems normalerweise nicht schätzen. Aber es kann ja durchaus situativ angemessen sein, beispielsweise wenn wir für unterschiedliche Größen unterschiedliche, reservierte Kapazitäten haben. Da ist es dann manchmal ganz hilfreich, eine Entscheidungshilfe oder Einordnungshilfe zu haben.
Generell ist das Commitment-Meeting das Spielfeld der Service Request Managerin – sie oder er kümmert sich darum, dass die richtigen Aufträge in die Dienstleistung gelangen. "Richtig" ist kein allgemeines Optimierungskriterium aber vor allem wieder: Kontextabhängig!
Das Commitment oder Replenishment-Meeting ist also der Ort, an dem entschieden wird, welche Aufträge als nächstes in die Dienstleistung gelangen. Die Frequenz ist abhängig von mehreren Faktoren und kann kontextabhängig gewählt werden.
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