Ein Commitment einzugehen, bedeutet eine Verpflichtung. Die Verpflichtung gilt aber nicht nur für eine Seite. Aber wo fängt die Verpflichtung an und was ist damit verbunden? Ein expliziter Commitment-Punkt hilft uns, die Beziehung zwischen Kunden und Dienstleistern klarer zu gestalten.
Der Begriff des Commitments ist durch die Verwendung in Scrum in vielen Kontexten schon belegt. Meist wird damit die Zusage des Entwicklungsteams gemeint, einen vereinbarten Umfang innerhalb eines festen Zeitraums zu schaffen. Deutsche Wörter wie Verpflichtung, Festlegung und eben Zusage liegen nicht so fern. Aber wer „commitet“ sich denn eigentlich? Ist es wirklich nur das Entwicklungsteam? Sehen wir uns das den Begriff Commitment doch außerhalb dieser einseitigen Verwendung einmal an.
Beiderseitige Verpflichtung
Eine Verpflichtung geht man in wenigen Fällen ohne Not oder Nutzen ein. Im Gegenzug zur Verpflichtung muss also ein Wert für denjenigen entstehen, der sich verpflichtet. In der Dienstleistung sieht die Verpflichtung meist auf Seite des Dienstleisters so aus, dass dieser sich darum kümmert, dass die Dienstleistung zum richtigen Zeitpunkt, mit vereinbarter Qualität und zu angemessenen Kosten geliefert wird.
Der Dienstleister muss sich wiederum auf seinen Auftraggeber verlassen können, wenn er diese Verpflichtung eingeht: Der Auftraggeber verpflichtet sich, den Auftrag im Normalfall nicht mehr abzubrechen oder zu verzögern. Abbrüche sind in Spezialfällen erlaubt, typischerweise wird der Dienstleister aber für die entstandenen Kosten entschädigt.
Wir sehen: Ein Commitment ist eine zweiseitige Angelegenheit. Der eine gibt einen Auftrag und die Zusage, ihn nicht mehr abzubrechen. Der andere nimmt den Auftrag entgegen und bearbeitet ihn ohne inakzeptable Verzögerung. Es sollte klar sein, dass das nicht funktioniert, wenn dieses Commitment nur implizit ist oder nicht klar ist, ab wann es eigentlich gilt. Früher war ein bindender Handschlag üblich, den gibt es heute nur noch selten. Und damit geht viel Klarheit verloren.
Fehlende Verbindlichkeit
Fehlt der Punkt, an dem beiden klar ist, dass sie eine Verpflichtung eingegangen sind und eine zügige Bearbeitung folgt, können beide nur spekulieren, ab wann es eigentlich wirklich ernst wird. Ich sehe das häufig in Softwareentwicklungsteams oder benachbarten Disziplinen wie dem Betrieb: Der Kunde vermutet, dass der Dienstleister anfängt abzuarbeiten, sobald er Bescheid gibt – eine E-Mail, eine kurze Besprechung, ein eingestelltes Ticket oder eine vage Annahme reichen da manchmal schon. Damit liegt der Punkt, ab dem der Dienstleister in der Pflicht ist, quasi am Anfang des Backlogs – aus Sicht des Kunden. Sehen Sie sich mal die Übersetzungen von Backlog an – Arbeitsrückstand oder Auftragsrückstand!
Aus Sicht des Dienstleisters liegt der Punkt aber meistens viel weiter hinten, denn der Auftraggeber nimmt sich ja aufgrund langer Bearbeitungszeit noch heraus, Änderungen einfließen zu lassen. Je länger diese Änderungen einfließen dürfen, desto verwischter der Punkt aus Dienstleistersicht: Möglichst keine Verpflichtung eingehen, wenn unklar ist, wer die Kosten für die Änderungen oder den Abbruch trägt!
Unklarheit fördert Frust
Als Konsequenz haben wir Kunden, die erwarten, dass die Bearbeitung startet, und frustriert sind über die Geschwindigkeit. Sie bringen Aufträge früher und früher ein, in der Hoffnung, dass irgendetwas angefangen und fertiggestellt wird. Gleichzeitig halten sie sich damit die Option offen, viel zu ändern. Das fördert die Frustration auf beiden Seiten, denn der Dienstleister kann seiner Pflicht nicht mehr nachkommen.
Spreche ich mit meinen Kunden über die Situation, werde ich dann eigentlich immer mit dieser Aussage konfrontiert: „Wir benötigen mehr Transparenz, damit der Kunde sieht, dass wir zu viel zu tun haben. Der Kunde muss ordentlich priorisieren.“
Ach ja, Priorisierung. Ein weiteres Zauberwort in der Beziehung zwischen Dienstnehmer und -leister. Befinden sich viele Aufträge parallel in Bearbeitung, möchte der Dienstleister möglichst alle Kunden einigermaßen zufriedenstellen. Oder zumindest sollen sie nicht grundlegend enttäuscht werden. Also werden die einzelnen Aufträge hoch- und herunterpriorisiert mit dem Ziel, eine akzeptable Geschwindigkeit zu erzeugen – zumindest für denjenigen, der sich gerade beschwert.
Der heutige Handschlag
Ich habe vorhin den bindenden Handschlag erwähnt, um das Implizite explizit zu machen: Wir gehen eine Geschäftsbeziehung ein. In einem ähnlichen Ritual findet sich auch die Lösung für unsere heutigen Probleme wieder: Dem expliziten Commitment-Punkt.
Wir müssen mit allen unseren Auftraggebern eine Art Ritual verabreden, mit dem klar wird, dass beide Seiten ein Commitment eingehen. Der Auftraggeber verpflichtet sich, seinen Auftrag nicht mehr grundlegend zu ändern; der Auftragnehmer verpflichtet sich, den Auftrag schnell und gut fertigzustellen.
Dieses Commitment kann natürlich unterschiedliche Formen haben. Das reicht von einem persönlichen Treffen, bei dem tatsächlich gemeinsam über Aufträge gesprochen wird, zu einem asynchronen Signalmechanismus, bei dem ein Auftraggeber einfach nur das nächste Ticket bestimmen darf. Das Wichtige an diesem Ritual ist, dass allen Beteiligten klar ist, dass hinter diesem Punkt die Aufträge keine Optionen mehr sind, sondern zugesagte Leistung – beiderseits.
Optionen und Commitment
Warum hilft uns der explizite Commitment-Punkt mit unserem Problem? Er spaltet die Auftragswelt in zwei Hälften. Die Eine ist die Welt der Abarbeitung. In ihr werden die zugesagten Aufträge schnell, verlässlich und qualitativ angemessen bearbeitet. Es herrscht Klarheit darüber, was gewollt ist und in welcher Reihenfolge die Aufträge abgearbeitet werden sollen. Die zweite Hälfte ist die Welt vor dem Commitment. Sie ist die Welt der Optionen. So lange das Commitment noch nicht abgegeben wurde, sind alle Aufträge optional. Der Dienstleister wird sich im Normalfall kaum mit ihnen beschäftigen. Der Auftraggeber kann sie modifizieren, umsortieren und vor allem ohne größere Kosten abbrechen.
Die Aufteilung in die beiden Welten hilft uns, Klarheit über den Zustand der Arbeit zu erlangen. Wir erreichen einen Zustand, in dem die Verhaltensregeln klarer sind. Für Auftraggeber und -nehmer reduziert sich die Menge der Konflikte und sie können sich auf ihre zentralen Arbeitsinhalte konzentrieren.
Fazit
Commitment-Punkte sind ein althergebrachtes Mittel, um die Arbeit in Optionen und explizite Aufträge aufzuspalten. Sie klären die Erwartungshaltung zwischen Dienstleistern und ihren Kunden.
Damit sie richtig funktionieren, müssen sie ausdrücklich verhandelt, formuliert, publiziert und durchgeführt werden. Den erwähnten Handschlag müssen Sie nicht buchstäblich umsetzen. Es hilft aber, ihn mit der Frage “Wann schlagen wir eigentlich ein?” zu übertragen.